Interaktion und Organisation -
Systemtheoretische Modelle organisationalen Wissensmanagements

 
Wissen und Wissensgenerierung aus konstruktivistischer Perspektive

 

Ernst von Glasersfeld

  • (Verweis auf Serres Untersuchung des Gnomons als Urszene der Episteme)

"Was ist Radikaler Konstruktivismus? Einfach ausgedrückt handelt es sich da um eine unkonventionelle Weise die Probleme des Wissens und Erkennens zu betrachten. Der Radikale Konstruktivismus beruht auf der Annahme, daß alles Wissen, wie immer man es auch definieren mag, nur in den Köpfen von Menschen existiert und daß das denkende Subjekt sein Wissen nur auf der Grundlage eigener Erfahrung konstruieren kann. Was wir aus unserer Erfahrung machen, das allein bildet die Welt, in der wir bewußt leben. Sie kann zwar in vielfältiger Weise aufgeteilt werden, in Dinge, Personen, Mitmenschen usw., doch alle Arten der Erfahrung sind und bleiben subjektiv. Auch wenn ich gute Gründe dafür angeben kann, daß meine Erfahrung der deinen nicht ganz unähnlich ist, habe ich keinerlei Möglichkeit zu prüfen, ob sie identisch sind. Das gleiche gilt für den Gebrauch und das Verstehen von Sprache." (Ernst von Glasersfeld, 1996)(Seidel)

  • Epistemologie -> "Auffassungen des Wissens" (da der Mensch nicht in fertige, objektiv zu erkennende Welt geboren wird)
  • Instrumentalismus

"There is no need for these hypotheses to be true, or even to be at all like the truth; rather, one thing is sufficient for them - that they should yield calculations which agree with the observations." (Andreas Osiander über Kopernikus, zitiert nach Popper)(Glasersfeld)

  • der blinde Wanderer im Wald, Viabilität
  • alles, was gesagt wird, ist die Meinung des Autors und nicht die Beschreibung einer objektiven Realität

Assimilation/Akkommodation nach Piaget

  • Erkennen als aktive Konstruktion durch Interaktion, Aufbau einer inneren kognitiven Struktur
  • Assimilation: Einpassung neuer Elemente in bereits aufgebaute Strukturen
  • Akkommodation: Veränderung des Assimilationsschemas bei fehlgeschlagener Assimilation
  • Subjekt-Objekt-Relation eigentlich Subjekt-Subjekt-Relation (Beobachtung verändert das Beobachtete, besonders in Soziologie aber auch "harten" Wissenschaften wie Physik - vg. Unschärferelation)
  • => Eigendynamik des Konstruktionsprozesses
  • Wie entsteht kollektives Wissen bei rein individueller Erwerbung?

 



 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Objektiviationsthese nach Berger/Luckmann

  • Wirklichkeit als gesellschaftliche Konstruktion
  • der Mensch kann Wirklichkeit produzieren und diese als etwas fremdes erleben
  • Intersubjektivität als Kommunikationsvorgang
  • Externalisierung: Entäußerung eines subjektiv gemeinten Sinns - Anbieten von möglichem Wissen
  • Objektivation: Vergegenständlichung, Sprache als Abkopplung/Loslösung des/vom "Hier und Jetzt" (Diskurs der Perfomativität der Sprache und Schrift, vg. u.a. Derrida)
  • Internalisierung: Einverleibung des Anderen, subjektive Entstehung von Gesellschaft

Autopoiesis nach Maturana/Varela und Luhmann

  • Annäherung an philosophische Argumenation des Konstruktivismus aus (neuro-)biologischer Sicht
  • ein autopoietisches System reproduziert die Elemente, aus denen es besteht, mit Hilfe der Elemente, aus denen es besteht
  • ein autopoietisches System erzeugt und ermöglicht sich selbst
  • a.S. passt sich an seine Umwelt an
  • Ausgrenzung aus der Umwelt, um Komplexität mittels Grenzziehung zu reduzieren
  • operational geschlossen - Systeme nicht vollständig durch Umwelt determinierbar

 

Objektivitation
Willke

 

  • Lernen als paradoxe Handlung, Wissen erzeugt auch immer Nicht-Wissen
  • Wissensmanagement als Supportfunktion
  • doppelte Wissensbuchführung zur Verzahnung von Wissensmanagement und Zielen der Organisation
  • neue Bewertungsmaßstäbe zum Messung vom Firmenwert unter Einbezug des intellektuellen Kapitals notwendig (z.B. Balanced Scorecard) - statt Trivialindikatoren
  • Messbarkeit von Wissen (es kann nur geändert werden, was sich messen lässt)

Doppelte WissensbuchfuehrungBalanced Scorecard

Schöneborn

 

  • Unterschätzung des Kommunikationsaspektes in der klassischen Wissensmanagementliteratur
  • Paketmodell versus Interaktionsmodell des Wissens
  • Unwahrscheinlichkeit der Kommunikation (vg. Kursbuch):
    1.) Unwahrscheinlichkeit des Verstehens,
    2.) Unwahrscheinlichkeit des Erreichens von Empfängern,
    3.) Unwahrscheinlichkeit des Erfolgs (vg. auch Informationstheorie der Kybernetik, Entropie, Rauschen als Urzustand)
  • Interaktionsmodell unterstreicht Trägergebundenheit und kommunikativen Ursprung des Wissens
  • Organisation als kommunikativer Zusammenhang (Entscheidungs-basiert)
  • nach Luhman Wissen als Verarbeitung von Umweltirritationen, Kondensation erfolgreicher Strategien
  • Alter/Ego als Vergleichspunkte für Analyse interaktiver Situationen
  • Kommunikationsmodell: Information, Mitteilung, Verstehen
    Alter -> selektiert Bedeutung
    Alter -> selektiert Mitteilung/Vermittlung
    Ego -> selektiert Verstehen
  • Alter-Kopplung: Bereitstellen von Wissen, Problem der Reziprozität (Vorleistungen notwendig), Angst vor Machtverlust, Einschränkung in Expressivität (medialer Möglichkeitsraum)
  • Ego-Kopplung: Anschlussfähigkeit, Problem zu hoher Komplexität (information overload), fehlender Kontext-Bezug (Subkulturen) => Soziolekt
  • Organisationale Kopplung: strukturelle Anbindung der autopoietischen Schließung wissensorientierter Kommunikation an entscheidungsrelevante Kommunikation der Organisation, mangelnde Relevanzsensibilität
  • Kritik bestehener Lösungsansätze: Vernachlässigung des Kommunikationsaspekts

 

 

Seidel

 

  • "Wissensorientiertes Management" statt Wissensmanagement (da Wissen an sich nicht managebar)
  • Wissen nur teilbar, nicht weitergebbar
  • Wissensteilung nur indirekt beeinflussbar und obliegt den Faktoren Dürfen, Können, Wollen (Konzentration auf das Wollen)
  • Unterstreichung von systembedingten Hemmnissen wie Macht, Wettbewerb, Unsicherheit
  • Untersuchung der Barrieren der Wissensdiffusion
  • Determinismus (z.B. F+E) vs. Voluntarismus (z.B. selbstbestimmte Projekte)

Pionierzeit und Zweite Phase des Wissensorientierten ManagementsBarrieren der Wissensdiffusion

Schlussfolgerungen

 

Fazit Eberl

  • "Wissen ist letztlich das, was das soziale System als Wissen bezeichnet."
  • soziale Systeme müssen Wissen ablehnen, um Komplexität der Umwelt zu reduzieren
  • => Wissensmanagement als Selektion
  • Entwicklung organisationalen Wissens nicht planbar, der Dynamik der Kommunikation ausgeliefert
  • => Wissensmanagement zur Schaffung von Rahmenbedingungen, Verbesserung von Reflexionsprozessen (Paradoxiemanagement)
  • Nicht-Wissen lässt sich nicht durch Wissen reduzieren, Wissen verändert die Perspektive und erzeugt damit Nicht-Wissen
  • => Wissensmanagement als fortlaufende, fruchtbare Irritation des Systems

Fazit Willke

  • doppelte Wissensbuchführung: Kosten/Nutzen
  • Wahrnehmung, Messung und strategische Nutzung des Intellektuellen Kapitials
  • Balanced Scorecard mit Einschluss weicher Kriterien statt "trivialer" Rating- und Messverfahren
  • Finden angemessenerSprache, Metaphern, Bilder und Navigationsinstrumente
  • stellt "MikroArt" vor

Fazit/Empfehlungen Schöneborn

  • Wissenskommunikations-Management
  • setzen von Rahmenbedingungen, die autopoietische Schließung des Systems möglichst wahrscheinlich macht
  • zielorientierte Irritation z.b. durch Agenda Setting
  • Opinion Leader mit hoher Reputation mit Vorleistung, => mögliche Ankopplung von Opinion Followers
  • Praxisbeispiel:
    1.) Opinion Leader suchen,
    2.) mediale, kommunikationsbegünstigende Plattform (z.B. Wiki) anbieten,
    3.) freie Entfaltung zulassen,
    4.) bei Etablierung Öffnung für weitere Personen
    5.) Beobachtung und gezielte Irritation, um Abkopplung von Zielen der Organisation zu vermeiden
  • Beispiel: WikiWikiWebs als kommunikationsförderliche mediale Lösung für "eine zeitnahe, assoziative und informelle Wissenskommunikation"

Fazit/Empfehlung Seidel

  • Wissensorientiertes Management
  • Anreiz- und Beförderungssysteme
    - nicht zu komplex gestalten, nicht auf nackten Wettbewerb konzipieren
    - Erfassung erfolgswirksamer Wissensteilung
    - Kooperationsfördernde Prämiengestaltung
    - Gehalt individuell gestaltbar, nicht direkt abhängig von Position (verhindern, dass aus guten Mitarbeitern schlechte Vorgesetzte werden)
  • Kommunikations- und Interaktionssysteme
    - elektronische Unterstützung (z.B.: Chat, BBS, PhoneFaxSMS, Newsgroups, Instant Messaging, Mailinglisten, Brainstorming Systeme)
    - architektonische, infrastrukturelle Gestaltung (Erreichbarkeit, Spontaneität, Zufall, Variabilität)
  • Führungs- und Kontrollsysteme
    - vernetztes Management statt top-down-Topologien
    - Freiräume, Toleranz, Kooperieren und Makeln statt Führen
    - neue Indikatorensysteme zur Erfolgsmessung
  • Personalmanagementsysteme
    - Rollenverständnis des Wissensmanagers nicht als Archivar sondern als Vermittler, Sozialfachmann
    - persönliches Wissensmanagement (systematisch, effizient, stetig, zielgerichtet)

    - Job Rotation (Förderung interpersonaler Kommunikation und Wissensteilung)
    - Exit-Modelle (Mentoren, Erfahrungen scheidender Mitarbeiter)

 

Verortung der Systemtheorie

Kritik

 

  • Vernachlässigung des Medien-Begriffs bei allen Arbeiten - es wird mit Luhmann argumentiert wird, aber ein nicht-Luhmannscher Medienbegriff verwendet
  • Medien werden größtenteils benutzt, aber nicht reflektiert (Bedeutung der Wahl des Mediums für die Selektion des Inhalts - wird zwar von Luhmann im Kommunikationsmodell mitgedacht, fließt jedoch kaum in die Texte ein)
  • Einbeziehung der Kapp'schen/McLuhan'schen "Extension of Man" möglich/sinnvoll? - inwieweit müssen erweiterte mediale Konstrukte in das psychische System mit einbezogen werden?

 

 

 

Quellen