Tabellen? |
Definition
- Tabelle: "systematische
Anordnung von Informationen, bei der die Daten gemäß bestimmter Kriterien
untereinander in Spalten und nebeneinander in Zeilen angeordnet werden"
- Zeilen, Spalten,
da durch definierte Zellen
- zwei- oder mehrdimensional,
auch kreisförmig (Vismann)
- schwere Grenzziehung
zur Liste
- definiert durch
interne (Gestaltung) und externe Faktoren (Gebrauch)
Wortfeld
- chart: "sheet
of paper with information on it in a visual or graphic form", "Tabelle","grafische
Darstellung","Schaubild","Kurvenblatt","Wetterkarte","(bes.
See-, Himmels-) Karte"
- table: "list
of information (e.g. dates) arranged in lines and colums"/"arrangement,
usu in a colummn, of results of multiplying sets of numbers", "Tabelle,
Verzeichnis, Liste"
- spreadsheet: "Rechenblatt
in einem Tabellenkalkulationsprogramm"
- tableau =>
Foucaults Tableau des Wissens
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Episteme
oder Wissen. |
Der Gnomon
- Gnomon: einer
Sonnenuhr ähnliches astronomisches Gerät, Messung von Schattenlängen,
Observatorium, Erdumfang
- epistemisches
Ding, das es einem anderen Ding erlaubt, beobachtet zu werden
- automatische Lieferung
von Daten
- setzt kein Subjekt
voraus wie etwa das Fernrohr (Maschine), künstliche Intelligenz vor dem "Ich
denke"
- erste Apparatur
zur Vereinigung von Hardware und Programmierung
- Tabelle als "Gedächtnis"
für Beobachtungen
- Gedächtnis
versus Wissen
- Do you know your
tables?
- Sokrates und der
Sklave
- maschinelles und
mnemonisches Wissen als Bestandteile algorithmischen Denkens
- kanonisches (Tafel-)Wissen
als verbindendes Element, bis Theorie (z.B. Kepler und Newton) dieses überflüssig
macht (?), Tabelle als Fehlen einer Theorie?
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Ordnung
oder Kommunikation! |
Gesellschaftsprotokolle
- das Protokoll
als diplomatische Form, Vorbild statt Verbot
- Lünigs "Theatrum
Ceremoniale" in tabellarischer Anordnung (Choreographien, Verhaltensregeln,
Kleiderordnungen...)
- Tabelle als Darstellung
und paradigmatische Umsetzung der höfischen Ordnung
- Einordnung des
Besonderen, Wiederholbarkeit der Ausnahme
- Unverdauliches
wird als "merkwürdiges
Ding" inkorporiert, kein Außerhalb der Tabelle
- Dispositiv der
Sichtbarkeit
- "nullum"
als leere Zelle - vergleichbar mit Stärke der Ziffer 0
- Tabelle als philosophische
Grundhaltung des Barock (?)
Kommunikationsprotokolle
- barocke Gesellschaftsprotokolle
regeln Kommunikationsvorgänge (kommuniziert werden Herrschaft, höfische
Ordnung...)
- Protokolle heute
diplomatischer oder technischer Natur
- technische Protokolle
zur Regelung von Kommunikationsprozessen
- moderne Protokolle
berücksichtigen die Ausnahme, den Fehler, das nicht Vorhergesehene
- Anordnung der
Kommunikationsschichten in tabellarischer Form (z.B. ISO OSI, DOD Schichten)
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Überblick oder Übersehen: |
Polizeywissenschaft
- wissenschaftliche
Lehre von der inneren Politik und Ökonomie, deutsches Phänomen besonders
des 18. und 19. Jh.
- Volkswirtschaftspolitik,
Gesetzgebungs- und Verwaltungslehre
- Bezeichnung eines
geordneten Zustandes und einer Verwaltungstechnik gleichermaßen
- Dr. rer. pol.
(doctor rerum politicarum)
- Erfassung als
Kenntnis der Daten als essentielles Paradigma der Polilzey
- zeitliche und
strukturelle Nähe zum Zeremoniell
- Untertanen nicht
mehr Zuschauer sondern Erhebungsobjekt, Staat Erhebungssubjekt
- Tabelle hierarchisiert
nicht, Neutralität gegenüber Inhalten (?)
- Polizeywissenschaft
als Tabellenwissenschaft
Datenverarbeitung
- Inventarisierung
durch Vernehmung (inquisitio) und Besichtigung (visitatio)
- Einträge
in der Tabelle entsprechen exogenen Daten
- nullum der Tabelle
als reales Fehlen?
- Medienwechsel
von Realpräsenz zum Eintrag, Schaffung eines (Erkenntnisgegenstandes) =>
(vorangestellte) Datenverarbeitung
Überblicken
- Staatstafeln als
Informationsobjekt und Entscheidungshilfe (Leibniz)
- "vollkommene
Überblick" im "Augenblick"
- metaphorischer
Vergleich mit (subjektbezogenen) Fernglas ("gleich wie ein guthes fernglaß")
- bidirektionales
Sehen: Zeremoniell und Staatstafel, "Dispositiv der Sichtbarkeit"
- Phantasma des
Überblickens verlangt nach Vollständigkeit, Phantasma der Übersicht
endet im Übersehen
- Deskription wird
zur Statistik (Verdichtung)
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;Spreadsheets;oder;Verschiebung; |
Lochkarten
- (wahrscheinlich)
ersten Lochkarten zur Volkszählung in den USA 1890 von Hermann Hollerith
- Tabelliermaschinen
zur Auswertung (Addition, Kombination), Verkürzung der Auszählung von
mehreren Jahren auf wenige Wochen
- Lochkarte als
überraschend starrer materieller Träger
VisiCalc
- 1978 träumt
Harvard-Student von Verbindung einer Computer-Maus, einem Head-Up-Display und
einer Tabelle
- aus der Maus wurde
im Prototyp ein Gamepad des Apple ][, aus dem Display ein Monitor
- 1979 Firmengründung
(Software Arts) und kommerzieller Verkauf von VisiCalc
- 1984/85 Aufteilung
und Verkauf (zum Teil an Lotus) aufgrund von Rechtsstreitigkeiten
- VisiCalc-Oberfläche
unterscheidet sich prinzipiell kaum vom heutigen Excel
- Programmierung
der Tabelle, Zelleninhalte werden aktiv
- extreme Zeitersparnis
bei komplexen Tabellen und deren Neuberechnung
Fehler
- Digitalisierung
der Tabelle bringt neue Fehler hervor
- Fehler bei falschen
"bottom-line values" (nach Panko):
1.) mechanisch (Tippfehler, versehentliches Anwählen falscher Zellen...
2.) durch Auslassung/Duplikation (von Werten, Spalten, Zeilen)
3.) logisch (fehlerhafte Algorithmen bei der Entwicklung des Spreadsheets)
Universalwerkzeug
- Spreadsheet erhält
paradigmatisch Einzug in moderne Ökonomie und Wirtschaftswissenschaften (Benutzung
und Didaktik)
- "organizer,
database, word processor, accounting system, graphics package and scheduler"
- Transaktionskostentheorie
(Coase) als möglicher Erklärungsansatz
- Pivot-Tabellen
- Konkurrenz: Papier,
Textverarbeitung, Datenbanken
Geburt aus der
Tabelle in die Tabelle
- Datenerfassung
heute noch Datenverarbeitung? (vgl. Staatstafeln, Barock)
- Verlagerung der
Verarbeitung in die "aktivierte" Tabelle
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Thesen... |
- Tabelle steht
vor der Theorie
- Tabelle beschreibt
im Laufe der Jahrhunderte kontinuierlich Kommunikationsvorgänge in Form von
Protokollen
- Tabelle hierarchisiert
nicht, sie knüpft Verbindungen
- Tabelle löst
das Phantasma des allumfassendes Wissens aus, ohne dies, durch Fetischisierung
von Daten, einlösen zu können
- Datenverarbeitung
verlagerte sich von der Datenerfassung in die aktivierte, digitale Tabelle
- die digitale Tabelle
ist schnell aber auch anfälliger für logische Fehler
- Spreadsheet gilt
als Universalwerkzeug in der modernen Ökonomie
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"Quellen/Literatur" |
- Brockhaus digital,
Bibliographisches Institut & F. A. Brockhaus AG, 2002
- Dan Bricklin,
VisiCalc, elektronisch veröffentlicht unter http://www.bricklin.com/visicalc.htm,
Stand: 17.11.2003
- Norm Brodsky,
Forget spreadsheets, Inc, Nov. 1997, Jg. 19, Nr. 16, S. 27ff
- Michel Foucault:
Die Ordnung der Dinge. Eine Archäologie der Humanwissenschaften, Frankfurt
am Main 1974, Suhrkamp
- Philipp von Hilgers
und Sandrina Khaled: Formationen in Zeilen und Spalten: Die Tabelle in:
Pablo Schneider "Grenzfälle", Weimar 2004, VDG
- L. A. Hill (Hg):
The Penguin English Student's Dictionary, München 1993, dtv
- Friedrich Kluge:
Etymologisches Wörterbuch der deutschen Sprache, Berlin/New York 1999,
de Gruyter
- Dr. Hans Maier:
Die ältere deutsche Staats- und Verwaltungslehre, München 1980,
C.H. Becksch'sche Verlagsbuchhandlung
- Adam J Miller,
Spreadsheets for the litigation team, Legal Assistant Today, Mar/Apr
1997, Jg. 14, Nr. 5, S.46ff
- Brian Rotman:
Mathematics as Sign. Writing, Imaging, Counting, Stanford California 2000,
Stanford University Press
- Michel Serres:
Gnomon: Die Anfänge der Geometrie in Griechenland, in ders. (Hg) Elemente
einer Geschichte der Wisenschaften, Frankfurt am Main 1995, Suhrkamp
- Thompson S.H.
Teo und Jpp Eng Lee-Partridge, Effects of error factors and prior incremental
practice on spreadsheet error detection: an experimantal study, Omega,
Jg. 2001, Nr. 29, S.445-456
- Cornelia Vismann:
Akten. Medientechnik und Recht, Frankfurt am Main 2000, Fischer Taschenbuch
- Helmut Willmann
und Heinz Messinger: Langenscheidts Grosswörterbuch der englischen und
deutschen Sprache, Berlin/München 1993, Langenscheidt
Nachtrag: Ich wurde
per Email gebeten, einen Link zum Projekt "The
European Spreadsheet Risk Interest Group" zu setzen, die sich mit der
Risikountersuchung und -begrenzung von Tabellenkalkulationen beschäftigt
und im Juli 2004 eine Konferenz zu diesem Thema in Klagenfurt abhält:
"The European
Spreadsheet Risk Interest Group is dedicated to increasing awareness of spreadsheet
errors amongst academia and industry and to promoting research regarding the extent
and nature of the problem, methods of prevention and detection of errors and methods
of limiting damage."
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Vortragender |
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