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Medienökonomie des Leuchtturmwesens
Aufgabenstellung Medienökonomie des Leuchtturmwesens | |
Das Leuchtturmwesen ist ein Gegenstandsbereich mit einer langen und bewegten Geschichte. Der erste Leuchtturm wurde ca. 300 v. Chr. auf der Insel Pharos vor Alexandria errichtet. [Vgl. hierzu und zum folgenden Möhring (2002), S. 229 f.] Ab ca. 1550 wurden viele der bis dahin errichteten Leuchttürme auf Seekarten eingezeichnet. Der große Aufschwung des Leuchtturmwesens fand zu Beginn des 18. Jahrhunderts statt. Die Errichtung von immer mehr Leuchttürmen an den Küsten der Weltmeere fällt zeitlich mit den sich wandelnden Voraussetzungen der Schifffahrt durch den Aufstieg der Naturwissenschaften und Techniken zusammen. Als im 18. Jahrhundert der Seeverkehr aufblüht, kommt es zu einer alarmierenden Zunahme von Schiffsstrandungen an den Küsten der Weltmeere. Dies lässt die Forderung nach zuverlässigen, einheitlichen und unverwechselbaren Leuchtfeuern laut werden. Mit dem Übergang von der Segelschifffahrt zur Dampfschifffahrt erweitern sich die Anforderungen an das Leuchtturmwesen über die Hafenbereiche hinaus. Leuchttürme sollten auf den gesamten Küstenverläufen zwischen den Häfen als Orientierungshilfen dienen. Für die Erfüllung dieser Begreift man den Leuchtturm als Medium der Orientierung, so stellt das Leuchtturmwesen sowohl für die Medientheorie als auch für die Medienökonomie einen interessanten Gegenstandsbereich dar.
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Einführung | |
Untersucht man den Leuchtturm aus medienökonomischer Perspektive, bedarf es zunächst einer Klärung der Begriffe "Medien" und "Ökonomie" in Bezug auf das zu erörternde Problemfeld. Da in den Wissenschaften keine einheitliche Definition des Begriffs "Medium" existiert, kann an dieser Stelle nur auf einige Theorien exemplarisch verwiesen werden. Kiefer unterstreicht eine für die Medienökonomie "taugliche Definition" nach Saxer, in der Medien als "komplexe, institutionalisierte Systeme um organisierte Kommunikationskanäle" aufgefasst werden. Herausgestellt werden soziale Faktoren in der Entstehung und Wirkungsweise der Medien. Ist dieser Ansatz eindeutig der Kommunikationswissenschaft zuzuordnen, muss angemerkt werden, dass die Medientheorien der letzten Jahrzehnte deutlich weitreichendere Definitionen bieten, die auch Auswirkungen auf Begriffe wie Realität und Wirklichkeit haben und somit der Medienökonomie neue Impulse geben können. Die folgende Arbeit beschränkt sich dennoch auf einen eher publizistischen Medienbegriff, der in der Ökonomie wohl am häufigsten eingesetzt wird. So erfüllt das Medium Leuchtturm klassische Eigenschaften eines Massenmediums wie Radio und Fernsehen: Ein technisches Artefakt wird zur Kommunikation publizistischer Aussagen an eine Öffentlichkeit eingesetzt, von dessen Nutzung in diesem speziellen Fall niemand ausgeschlossen werden kann, da keine Empfangsgeräte notwendig sind. Auf die ökonomische Folge dieser Vorraussetzung werden wir später näher eingehen. Möchte man dennoch mit einem "klassischen" Medientheoretiker argumentieren, könnte man im Falle des Leuchtturms mit McLuhan arbeiten, der sich ausführlich mit dem Licht beschäftigt hat. Folgt man McLuhan, lässt sich sein Prinzip der "Extension of Man" als Kriterium für Medien auf den Leuchtturm problemlos übertragen. So kann ein Leuchtturm als Externalisierung des menschlichen Sehsinns gewertet werden, dessen Botschaft nicht das Signal selbst, sondern vielmehr die "Veränderung von Raum und Zeit" und der Einfluss auf den Menschen selbst ist. Mithilfe dieser Herangehensweise entsteht rund um den Leuchtturm ein Komplex interessanter medienwissenschaftlicher Fragen wie: Welche Veränderung bringt der Leuchtturm mit sich? Ist es sein Symbolcharakter als Zeichen imperialer Herrschaft oder der Verlust der Identität des Meeres, wie es die Straßenbeleuchtung für die Stadt bedeute? Ist der Leuchtturm nur ein technischer Signalgeber oder konstruiert er mit an einer Realität, die bei schlechten Sichtverhältnissen erst eine Küste erschafft? In welchem Verhältnis stehen Menschen zueinander, die räumlich voneinander getrennt, durch den Leuchtturm zu einer Gemeinschaft zusammengefasst werden?
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Der Leuchtturm | |
Im Folgenden werden diese medienwissenschaftlichen und -philosophischen Fragestellungen außer Acht gelassen und ein Hauptaugenmerk auf die Ökonomie des Leuchtturms gelegt. Im Lauf der Geschichte der Seefahrt ist die Nachfrage nach Leuchtfeuern und -türmen zum Schutz der Schiffe kontinuierlich gestiegen. Gleichzeitig entstanden Strukturen staatlicher und privater Natur zur Errichtung und Finanzierung, die Forderungen nach zentralen Leuchtfeuerbehörden implizierten, um "gegen zu hohe und uneinheitliche private und öffentliche Abgaben" vorzugehen. Das Leuchtturmwesen scheint also ökonomische Rahmenbedingungen zu schaffen, die besondere Anforderungen an eine effiziente Realisierung stellen. Es bedarf keiner längeren Argumentation, um nachzuweisen, dass für das Aufstellen und den Betrieb von Leuchttürmen Kosten anfallen, die gedeckt werden müssen. Um mögliche Grundlagen für die Deckung dieser Kosten zu erarbeiten, soll zunächst ein Blick auf die Eigenschaften des Leuchtturms als ökonomisches Gut geworfen werden. In der Ökonomie wird seit dem 18. Jahrhundert zwischen materiellen und immateriellen Gütern bzw. Sachgütern und Dienstleistungen unterschieden. Während sich zwar einwenden lässt, dass ein Leuchtturm an sich ein Sachgut ist, muss man feststellen, dass er in seiner Wirkungsweise wohl eher als Dienstleistung zu betrachten ist. So werden einerseits im Produktionsprozess keine Rohstoffe als Produktionsfaktoren eingesetzt, andererseits fallen nach dem "uno-actu-Prinzip" Produktion und Verbrauch zeitlich zusammen - eine Produktion auf Vorrat ist somit nicht möglich. Die Unterscheidung zwischen öffentlichen und privaten Gütern wird in der Ökonomie oft als Kriterium für deren Marktfähigkeit gesehen. Ein voll marktfähiges Produkt sollte dabei durchsetzbare Eigentumsrechte aufwiesen, sowie der Konsumrivalität unterliegen - das bedeutet, konsumierte Güter stehen anderen Konsumenten nicht mehr zur Verfügung. Der Leuchtturm als Dienstleistung erfüllt keine der beiden Kriterien. Auf der einen Seite vermindert eine Benutzung des Leuchtturms nicht dessen Angebot, auf der anderen Seite kann niemand von der Nutzung ausgeschlossen werden. Sind die Signale erst einmal ausgestrahlt, "können sie praktisch niemandem mehr vorenthalten werden". Nach dieser Definition handelt es sich beim Leuchtturmwesen um ein rein öffentliches Gut, in dessen Kategorie auch das terrestrische Fernsehen fällt. Öffentliche Güter gelten als nicht marktfähig, da Anbieter kaum bereit sind, ein Gut zu produzieren, das von jedermann konsumiert werden kann, ohne dafür zu bezahlen. "Es kommt kein Angebot zustande, weil kein privater Produzent Kostendeckung erwarten kann." Diese Meinung teilen gerade in Bezug auf den Leuchtturm eine Vielzahl an Ökonomen.
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Der Leuchtturm in der ökonomischen Literatur | |
Nach Coase wurde der Leuchtturm in der Ökonomie vielfach als Beispiel für die Rolle des Staates in der Wirtschaft herangezogen. In der Einleitung seines Artikels "The Lighthouse in Economics" , auf den sich die folgenden Betrachtungen stützen, werden Wissenschaftler wie Mill, Sidgwick und Samuelson zitiert, die ausnahmslos unterstreichen, dass die Nicht-Marktfähigkeit des Leuchtturmwesens Verstaatlichung als Konsequenz hat - "it is a proper office of government to build and maintain lighthouses" (Mill). Diese These liegt natürlich nahe. Der Staat könnte Steuern von Schiffseignern verlangen und mit diesen Einnahmen Leuchttürme betreiben. Auf diese Weise können die Nichtausschließbarkeit, sowie die Nichtrivalität in der Nutzung von Leuchttürmen kompensiert werden. Der Staat tritt intervenierend in Erscheinung, um ein Marktversagen auszugleichen, welches sich darin äußert, dass kein privat Anbieter zur Produktion eines Gutes bereit ist, das "sobald es produziert ist, von jedermann konsumiert werden kann, ohne dafür zu bezahlen, also ohne seinen Anteil an den Kosten der Produktion zu leisten" . Dieses Verhalten des Homo Oeconomicus ist bei öffentlichen Gütern besonders gravierend und wird gemeinhin auch als Trittbrettfahrerproblem bezeichnet. Richter und Furubotn unterstreichen jedoch, dass selbst hier ein staatlicher Eingriff nur wenig vorteilhaft ist, denn "im besten Falle leidet solch korrigierendes Tätigwerden des Staates unter Informationsbeschränkungen und Verwaltungskosten." Es treffen zwei konträre Meinungen aufeinander, die das Für und Wider einer staatlichen Leuchtturm-Organisation wiederspiegeln. Auffällig ist das von Coase zitierte Argument Samuelsons, nachdem auf private Strukturen auch verzichtet werden soll, wenn theoretisch ein privates Gebührenmodell realisierbar wäre. Nach Samuelson erhebt der Staat Steuern nur für tatsächlich anfallende (Fix-)Kosten - letztlich ist der Betrieb eines Leuchtturms unabhängig von der Anzahl der konsumierenden Schiffe. Ein privates Gebührensystem wäre somit nicht optimal, da es die "zero extra cost" für zusätzlichen Schiffsverkehr nicht berücksichtigen würde. Diese paradoxe Argumentation - einerseits soll das Leuchtturmwesen staatlich sein, weil Gebühren nicht durchgesetzt werden können und andererseits weil selbst im Falle einer Durchsetzbarkeit der Staat für die Gesellschaft optimaler arbeiten würde - scheint die von Richter/Furubotn erwähnten Verwaltungskosten außer Acht zu lassen. Überdies lassen die meisten Plädoyers für eine staatliche Leuchtturmbehörde außer Acht, dass zum Beispiel in Großbritannien schon in der frühen Geschichte Leuchttürme von privaten Unternehmen betrieben wurden: "The early history shows that, contrary to the belief of many economists, a lighthouse service can be provided by private enterprise." Das Vertragskonstrukt war dabei relativ überschaubar: Schiffseigner und Spediteure konnte die Krone darum ersuchen, einer Person den Bau eines Leuchtturms und die Einnahme von Gebühren zu gestatten. Die Leuchttürme wurden daraufhin von privater Hand finanziert, errichtet und betrieben. Gebühren wurden direkt in den Häfen von anlegenden Schiffen eingezogen. Der Staat übernahm hier nur die Rolle eines Garanten von Eigentumsrechten. Das Problem deren Durchsetzbarkeit unterschied sich nach Coase in keiner Weise von anderen materiellen Gütern und Dienstleistungen für Schiffseigner. An dieser Stelle ist der Einwand berechtigt, dass hier Schiffe, die am Hafen nicht anlegen, um Gebühren zu sparen, Trittbrettfahrer darstellen, die für eine erbrachte bzw. genutzte Leistung nicht zahlen. Wie die Geschichte jedoch gezeigt hat, ist dieses Phänomen bis zu einer gewissen Grenze vertretbar. Richter/Furubotn fassen dies so zusammen: "Wenn öffentliche Güter für einige Angehörige eines Gemeinwesens genügend Vorteile versprechen, werden diese auch bereit sein, die öffentlichen Güter zu finanzieren - ungeachtet der Tatsache, dass Trittbrettfahrer davon einen Vorteil haben werden." Auch eine staatliche Subventionierung durch Steuern kann das eben beschriebene Phänomen nicht gänzlich verhindern. Zwar können im landesinneren alle Schiffseigner erfasst und besteuert werden, nicht jedoch ausländische Schiffe. Coase führt am Beispiel Großbritanniens die Nationen Russland, Deutschland, Norwegen und Frankreich an, die bei einer Vorbeifahrt sicher von den Leuchttürmen profitieren, für diese aber keine Steuern abführen. Es bestünde jedoch die Möglichkeit durch bilaterale Abkommen, Steuermittel weiterzuleiten, um eine "gerechte" Kostenbeteiligung zu erreichen. Diese Vorgehensweise würde vermutlich zu einem aufgeblähten Staatsapparat führen, der eine "less efficient" arbeitende Leuchtturmbehörde zur Folge hat. Ein möglichst umfassende Struktur zur Kostendeckung scheint folglich unter ihrer eigenen Größe zu leiden. So liegt die These nahe, dass nach Coase lieber auf einen bestimmten Anteil von Einnahmen (ob privater oder staatlicher Natur) verzichtet werden sollte, um dafür mit schlanken Organisationsformen effizient arbeiten zu können.
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Das britische Leuchtturmwesen | |
Zum genaueren Verständnis eines Systems, dass nicht auf pauschaler Besteuerung beruht, soll nun das britische Leuchtturmwesen, das sich seit 1898 kaum verändert hat, näher beschrieben werden. Prinzipiell werden Gebühren für Schiffe erhoben, die einen Hafen in Großbritannien anlaufen oder verlassen. Die Gebühren richten sich dabei nach Art und Umfang der Größe des Schiffes, dessen Nettolast in Tonnen gerechnet wird. Unterschieden wird zwischen Binnenschifffahrt und Fahrten vom und ins Ausland. Interessant ist, dass es eine Obergrenze für Beitragszahlungen gibt. So hat ein Schiffseigner nach Zahlung von zehn bzw. sechs Beiträgen (Binnen/Ausland) sein Soll für ein ganzes Jahr geleistet. Diese Regelung berücksichtigt in gewisser Weise Samuelsons "zero extra cost". Nach Zahlung eines Maximalbetrages wird nicht mehr zur Kasse gebeten und somit nicht entmutigt, an einem Hafen anzulegen, wie Samuelson es vermutete. Neben dieser Grenzregelung gelten für besonders große Schiffe Rabattregelungen während kleinere Schiffe wie Yachten pauschale jährliche Jahresbeiträge zahlen oder gänzlich von der Gebührenordnung befreit werden. Die Gebühren fließen in einen Fond über dessen Verteilung jährlich eine Konferenz entscheidet. In der Konferenz sitzen neben drei offiziellen Behörden Vertreter einer Schiffshandelsorganisation (Schiffseigner) und Spediteure. Auf diese werden Kompromisse geschaffen und die eigentlichen Geldgeber haben Anteil an der Entscheidung über die Verwendung ihrer gezahlten Mittel.
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Zusammenfassung | |
Das Leuchtturmwesen, so weist Coase nach, eignet sich nicht als Paradebeispiel für eine durch Marktversagen zwangsläufig staatliche Aufgabe. Dass viele Ökonomen der Versuchung unterlagen, dieses Exempel herauszugreifen, ist darauf zurückzuführen, dass sie wahrscheinlich die britische Geschichte nicht hinreichend untersucht und nicht genügend Fachwissen über Leuchttürme hatten - so zumindest Coase' Erklärung. Es hat sich gezeigt, dass sowohl staatliche als auch private Organisationsformen des Leuchtturmwesens Vor- und Nachteile besitzen, die nicht von der Hand gewiesen werden können. Letztlich, so unterstreicht auch Kiefer, ist eine Institutionalisierung als öffentliches oder privates Gut abhängig von gesellschaftlichen Wert- und Qualitätsvorstellungen. Misst man dem Staat die Garantie der öffentlichen Sicherheit im Allgemeinen und Schiffssicherheit im Speziellen zu, ergibt sich somit auch implizit eine Forderung nach einer staatlichen Kontrolle. Ist man liberaler orientiert, wird man entsprechend privaten Modellen gegenüber aufgeschlossen sein. Das britische System jedoch zeigt eine Mischform auf, die sicher auch neue Impulse für die Medienökonomie liefern kann. Als Ansatz wäre hier eine generelle Überarbeitung des Umgangs mit von vornherein als öffentlich deklarierten Gütern denkbar. Es stellt sich die Frage, ob ein verbraucherorientiertes System wie das britische Leuchtturmwesen auch auf klassische Massenmedien übertragen werden kann. Die Einflussnahme des Zuschauers auf das Fernsehprogramm, für das er entweder Gebühren zahlt oder Zeit (für die Konsumption von Werbung) eintauscht, sind sehr begrenzt und besteht in der Regel nur in der Auswahl des Programms. Überdies könnte und sollte die Klassifizierung von Medien in öffentlich und private Güter noch einmal überdacht und mit bereits historischen Erfahrungen abgeglichen werden. Was sich daraus ergeben könnte, steht auf einem anderem Blatt...
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