Norbert Wiener · Kybernetik

 
Einleitung

 

  • Synthetic History

 



Flugabwehr und Rückkopplung

 

  • Kriegsbeginn WWII: deutsche Luftwaffe erzeugt Druck auf die Alliierten, Ruf nach effektiver Flugabwehr
  • Geschwindigkeit der Flugzeuge bedingte Implementierung aller notwendigen Rechnungen in ein neuartiges Feuerleitsystem um zukünftige Position ermitteln zu können
  • die Bestimmung der Eigenschaften des Ziels zu einem Zeitpunkt x nicht ausreichend für Prädiktion einer zukünftigen Position
  • zur Vorhersage der Zukunft somit "Operation auf die Vergangenheit" (E S. 31) nötig
  • Wiener erzeugt einen Regelkreis aus Signalen zwischen Flugzeug und Flugabwehr
  • Beispiel Rückkopplungsprozess Hase und Fuchs - wer "lenkt"?
  • Beispiel Aufheben eines Stiftes
  • Beispiel Steuerrad eines Schiffes - Rückkopplung nicht zu stark/schwach

 

Flugabwehr nach Wiener WWII FireControl

Was also ist Kybernetik?

 

"Diesem Studium von Nachrichten und insbesondere von Regelungsnachrichten ist der Gegenstand einer Wissenschaft, für die ich in einem früheren Buche den Namen Kybernetik eingeführt habe." (Wiener) (W S. 14)

  • Umbenennung der Macy Conference 1946 in "Conference on Cybernetics"

"In diesem Programm lag ein stufenweiser Fortschritt vom mechanischen Geräteteil zum elektrischen Geräteteil, von der Zahlenbasis zehn zur Basis zwei, vom mechanischen Relais zum elektrischen Relais, von der menschlich gesteuerten zur automatisch gesteuerten Operation" (E S. 46)

  • Vereinigung von Human- und Ingenieurswissenschaften
  • kybernetische Erweiterung der Technik zu einer Metatechnik
"Die kybernetische Erweiterung der neuzeitlichen Technik bedeutet also ihre Erweiterung unter die Haut der Welt; Technik kann in keiner Weise mehr isoliert (objektiviert) betrachtet werden vom Weltprozeß und seinen soziologischen, ideologischen und vitalen Phasen." (Bense)
  • Feststellung identischer, isolierbarer technischer Prozesse bei Mensch und Maschine (Bense)
  • maschinelle Nachbildung menschlicher Funktionen des Bewusstseins (Bense)
  • ersten (Rechen-)Maschinen bereits von Pascal (um 1650) und Leibniz (um 1670)

"Es ist deshalb nicht im mindesten überraschend, daß der gleiche intellektuelle Impuls, der zur Entwicklung der mathematischen Logik geführt hat, gleichzeitig zur idealen oder tatsächlichen Mechanisierung der Prozesse des Denkens geführt hat." (E S. 40)

 

PKW IPKW II
Nachrichten, Informationen, Schemata und Entropie

 

  • Zweiter Satz der Thermodynamik: Verhältnis zwischen Energie und Entropie (Grad der Unordnung) - Tendenz der Energieverringerung bei gleichzeitiger Entropievergrößerung
  • "Schema" bezeichnet Anordnung von Elementen unter Vernachlässigung des Inhalts (fünf Äpfel gleich fünf Birnen)
  • Schemata können sich räumlich (Tapete) und zeitlich (Musik) erstrecken
  • Nachrichten bezeichnen Schemata, die Informationen übertragen

"Mit anderen Worten: Regelung beruht wesentlich auf der Weitergabe von Nachrichten ... die den Zustand des Systems ändern." (W S. 14)

  • bei der Erstellung einer Nachricht Auswahl aus einer möglichen Folge (z.B. Buchstabenfolge)
  • Störpegel als zufälliges Rauschen ("Zufall" verweist auf Wahrscheinlichkeit)

"Also muß Information in gewisser Weise das Maß der Regelmäßigkeit eines Schemas sein und insbesondere derjenigen Schematypen, die als Zeitreihen bekannt sind." (W S.12)

"Daher muß Information ... immer etwas sein, das zunimmt, wenn die a priori angenommene Wahrscheinlichkeit eines Schemas oder einer Zeitreihe abnimmt." (W S.12)

  • Informationen sind somit immer "in Form" (nein, das ist nicht die etymologische Herkunft des Wortes)
  • eine Nachricht kann ihre Ordnung während des Aktes der Übertragung von selbst verlieren, aber nicht gewinnen

"Die Nachricht ist eine zeitlich diskret oder stetig verteilte Folge meßbarer Ereignisse - genau das, was von den Statistikern ein Zufallsprozeß genannt wird. Die Vorhersage der Zukunft einer Nachricht geschieht durch irgendeine Operation auf ihre Vergangenheit". (E S. 35)

 

 
Zeit

 

  • Beispiel: Durchmusterung von Sternen und Wolken => Atronomie / Meteorologie
  • Prädiktion in der Astronomie möglich, in der Meteorologie nur schwer - diese beruht auf statistischen Aussagen
  • rückwärts laufendes Planetarium stimmt überein mit Newtonscher Mechanik, Wetter hingegen unumkehrbar

"Die Lagen, Geschwindigkeiten und Massen der Körper des Sonnensystems sind zu jedem Zeitpunkt außerordentlich gut bekannt, und die Berechnung ihrer zukünftigen und ihrer vergangenen Lagen ist zwar im einzelnen nicht leicht, jedoch im Prinzip einfach und genau." (Z S. 434)

  • Kopplung als Kriterium der zeitlichen Eigenschaften eines Systems (lose Kopplung des Universums vs. feste meteorologische)
  • Newtons gleichmäßig dahingehende absolute Zeit als Vorraussetzung klassischer Naturbeschreibung => reversibel und umkehrbar
  • Biologie voll von Einweg-Phänomenen wie Geburt und Tod
  • Bergsonsche "Dauer" unterscheidet sich von Newtonscher Zeit erheblich; Dauer ist nicht umkehrbar, weist nach vorn

"Das Individuum ist ein Zeiger, der zeitlich in eine Richtung deutet, und die Rasse ist gleichermaßen von der Vergangenheit in die Zukunft gerichtet." (Z S. 438)

"In Anbetracht der Tatsache nun, daß, wie Bergson gezeigt hat, das Leben gegenüber der Materie sich durch Dauer auszeichne, und daß die großen mathematischen Maschinen, wie Wiener darstellt, sich in ihrer Fähigkeit, Intelligenzsignale, Theoreme wie in einem Gedächtnis aufzuspeichern, bis ein zukünftiger Appell sie zur Äußerung reizt (wenn ich einmal so sagen darf), wie menschliche Hirne verhalten, sollen sie nicht in der newtonschen Zeit, sondern in der bergsonschen Dauer sein." (Bense)

 

 
Warum?

 

  • Technikgenealogie: Zeitalter der Uhren => Zeitalter des Dampfes => Zeitalter der Kommunikation
  • philosophische Aspekte der Kybernetik: Verhältnis des Menschen zur Technik und zu sich selbst - "Technik des Körpers" (Z S. 444)
  • mathematische Beschreibung/Abstrahierung von Kommunikationsvorgängen
  • Einführung des Rückkopplungs- und Regelungsmodells (Rückkopplung bedarf medialer Vermittlung)
  • Zeitbegriff anwendbar auf bisher behandelte Zeitmodelle?
  • Phantasma der Kybernetisierung

"Die Maschinen, von denen wir jetzt sprechen, sind nicht der Traum des Sensationslüsternen noch die Hoffnung irgendeiner zukünftigen Zeit. Sie existieren bereits als Thermostate, automatische Gyrokompaß-Schiffssteuersysteme, Geschosse mit Eigenantrieb - besonders solche, die ihr Ziel suchen -, Luftabwerhfeuerleitsysteme, automatisch geregelte Ölraffinieren, ultraschnelle Rechenmaschinen und ähnliches." (Z S. 445)

  • neue Grundlagen für die Psychoanalyse...

 

Automatisierung I Kybernetisierung
Quellen

 

  • Bense, Max: Kybernetik oder Die Metatechnik einer Maschine, ...
  • Klaus, Georg und Liebscher, Heinz: Was ist · Was soll Kybernetik, Leipzig/Jena/Berlin 1968.
  • Pias, Claus: Synthetic History. Archiv für Mediengeschichte 2001, 2001.
  • Roch, Axel und Siegert, Bernhard: Maschinen, die Maschinen verfolgen. Über Claude E. Shannons und Norbert Wieners Flugabwehrsysteme. In: Konfigurationen: zwischen Kunst und Medien, hg. v. Sigrid Schade, München 1999.
  • Wiener, Norbert: Kybernetik. Regelung und Nachrichtenübertragung im Lebewesen und in der Maschine. Düsseldorf/Wien 1963. (E)
  • Wiener, Norbert: mensch und menschmaschine, Frankfurt(Main)/Berlin 1958. (W)
  • Wiener, Norbert: Newtonscher und Bergsonscher Zeitbegriff. In: Kursbuch Medienkultur. Die maßgeblichen Theorien von Brecht bis Baudrillard, hg. v. Claus Pias et al, Stuttgart 1999. (Z)

Die Buchstaben in Klammern bezeichnen die von mir aus Platzgründen verwendeten Quellenkürzel.

 

 

Vortragender

 

 

 

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