(Achtung: diese Arbeit ist auch als PDF-Datei mit Endnoten und Quellenangaben verfügbar)

"GEMA und Internet"


Hausarbeit im Seminar "Popsong Economy"


Caspar Clemens Mierau
Bauhaus-Universität Weimar
Studiengang Medienkultur / 1. Semester
 

Inhaltsverzeichnis

 

  • Einleitung
  • Was ist die GEMA?
  • Was ist neu?
  • Präsentationszwecke
  • Präsentation aus dem Eigenrepertoire
  • Klingeltöne
  • Internetradio
  • Electronic Commerce
  • Electronic Commerce mit Musikwerken
  • Sonstiger Electronic Commerce
  • Problematisierung Seitenzugriffe PIs
  • Digitaler Fair Use
 
Einleitung 

 

Die allumfassende Digitalisierung erreicht auch den Musikmarkt. Durch die zunehmende Verbreitung des Internets in Privathaushalten, steigende Leitungskapazitäten und die Möglichkeit neuer Technologien, wie das vom Fraunhofer Institut entwickelte Verfahren "mp3", Musikdaten nahezu verlustfrei zu komprimieren, entwickelte sich ein neuer, virtueller Markt für den Absatz von Musik- und Entertainment-Produkten. Für den Endverbraucher äußerte sich die digitale Revolution bisher vor allem in der Verbreitung von Musiktauschbörsen wie Napster und Gnutella, die, rund um die Uhr erreichbar, den Zugriff auf nahezu jeden Musiktitel kostenlos ermöglichen bzw. ermöglichten.

Einhergehend mit der Durchdringung privater Lebensräume durch das Internet findet die Multimedialisierung dieses Netzes statt. Bestanden vor zehn Jahren Webseiten nahezu nur aus Text, sind sie heute multimedial aufbereitet mit Grafiken, Photos, Flashanimationen und nicht zuletzt Musiken.

Die folgende Arbeit wird sich aus dieser Perspektive mit der zukünftigen Entwicklung der Verwertungsgesellschaft GEMA in Bezug auf die Verwertung geschützter Musiken in Internet und Multimediabereich befassen. Zur Vorraussetzung wird die These gemacht, dass musikalische Werke urheberrechtlich geschützt werden müssen, um die Rechte der Urheber (Komponisten und Texter) und Rechteinhaber (Verleger und Erben) zu wahren.

 

 
Was ist die GEMA?

 

Die Abkürzung "GEMA" bezeichnet die deutsche "Gesellschaft für musikalische Aufführungs- und mechanische Vervielfältigungsrechte". Zurückgehend auf die Gründungsinitiative einer Verwertungsgesellschaft auf dem Gebiet der Musik unter maßgeblicher Beteiligung des Komponisten Richard Strauß, kann die GEMA auf 100 Jahre Dienst für den Urheber zurückblicken .

In Deutschland existiert im Gegensatz zu den USA praktisch keine Alternative zur GEMA. Diese quasi-Monopolstellung begründet sich nicht aus einer gesetzlichen Festlegung, sondern zum Einen aus der "Komplexität der urheberrechtlichen Materie und der Tatsache, dass das Inkasso von Urheberrechtsvergütungen relativ verwaltungsaufwendig ist." und zum Anderen aus dem Fakt, dass "das für die Genehmigung zuständige deutsche Patentamt ... bisher alle Anträge auf Gründung einer GEMA-Konkurrenz" untersagte.

Einnahmen erzielt die GEMA durch GEMA-Abgaben, die zum Beispiel mit dem Kauf einer Audio-CD im Laden, dem Kauf eines Videorekorders, den Pauschalabgaben von Radio- und TV-Stationen oder auch Veranstaltungsorten wie z.B. Diskotheken verbunden sind. Nach Abzug einer Verwaltungspauschale (derzeit acht Prozent) vergütet die GEMA Komponisten (30%), Texter (30%) und Verleger (40%).

In den letzten Jahrzehnten gab es reichlich Auseinandersetzungen um die Verfahrensweisen der GEMA, die nach eigener Aussage keine Gewinne erwirtschaften darf , deren Vorstand aber nach Angaben des Spiegels "neben seinen eigentlichen Bezügen noch 1,5 Promille des gesamten Inkassos" erhält.

 

 
Was ist neu?

 

Das Internet durchlebte in den letzten zehn Jahren seine Multimedialisierung. Waren Webseiten Anfang der Neunziger Jahre noch stark textlastig und meist unbebildert, sind sie heute mit Grafiken und Musiken aufbereitet und aufgewertet. Durch die Verbindung digitaler Technologien und Telekommunikation werden neue Räume für den Einsatz urheberrechtlich geschützter Werke geschaffen. "Neue Produkte erweitern die Möglichkeiten zur wirtschaftlichen Auswertung eines Werkes permanent".

Die Digitalisierung eines Musikstücks, das heißt seine Umsetzung in einen binären Code, der körperlich (z.B. CD-Rom) fixiert oder unkörperlich wiedergegeben werden kann, hat rechtlich gesehen keinen Einfluss auf die Zuordnung des Werks zur Musik, denn "sie betrifft nur die äußere Erscheinung des Werks, nicht aber seine gestalt als geistige Wesenheit". Das Urheberrecht lässt sich somit leicht auf digitalisierte Werke übertragen.

Als Einsatzgebiete im Internet und ähnlichen Datennetzen hat die GEMA bisher für folgende Fälle Tarifstrukturen erstellt und veröffentlicht:

  • Präsentationszwecke
  • Präsentation aus dem Eigenrepertoire
  • Music on Demand
  • Klingeltöne
  • Internetradio

Im Folgenden werden diese Preisstrukturen genauer untersucht.

 

 
Präsentationszwecke

 

Webseiten im Internet lassen sich durch Technologien wie Flash , Shockwave und Midi multimedial mit Sound und Musiken aufbereiten. In Eigenpräsentation, unter denen man die "inhaltliche Unterrichtung über die Person, das Unternehmen oder die nicht-gewerbliche Institution" versteht, können somit urheberrechtlich geschützte Werke zur akustischen Untermalung und Auflockerung eingesetzt werden.

In den Anfangszeiten dieser drei Technologien wurden sie besonders oft genutzt, um die eigene Webseite mit Lieblingsmusiken zu untermalen - vergessen wurde jedoch im Internet, das lange Zeit für die Nutzer als rechtsfreier Raum galt, die Nutzungsrechte und
-gebühren mit der GEMA, abzustimmen. Sicher hängt dies mit der allgemeinen Orientierungsphase der Musiknutzer und -anbieter (bzw. GEMA) in den neuen Medien zusammen.

Aktuell unterscheidet die GEMA zwischen gewerblichen, privaten und nicht-gewerblich institutionellen Websites. Diese auf den ersten Blick logische Trennung wurde jedoch, wie es scheint, willkürlich gezogen.


So dürfen die Page Impressions (kurz "PI", englisch für tatsächliche Seitenzugriffe auf einer Webseite) mit Musiknutzung bei privaten Webseiten bis zu 2000 je Monat und die Verwendung zehn Werke nicht übersteigen, ansonsten erfolgt automatisch eine Einstufung in die Kategorie "gewerbliche Websites", die mindestens das 12fache an Gebühren verlangt (EUR 25 pro Monat pro Werk mit einer Spieldauer unter fünf Minuten statt EUR 25 pro Jahr) . Es ist fraglich, warum für private Websites nicht im gleichen Maße wie für gewerbliche und nicht-gewerblich institutionelle Websites eine ansteigende Staffelung ermöglicht wurde. Während ein gewerblicher Website-Betreiber für 20.000 PIs pro Monat genau das Doppelte zahlt als bei nur 10.000 PIs, wird ein privater Anbieter schon für 2.500 PIs im Monat das zwölffache (EUR 300 pro Jahr) zahlen von dem, was er bei 2.000 PIs im Monat zahlt (EUR 25 pro Jahr).

Bei diesen starren GEMA-Tarifen fällt auf, dass es scheinbar keinen Willen zur Vergabe von Rabatten auf die Vielnutzung im Internet gibt. Übersteigt ein Titel die Dauer von fünf Minuten minimal oder wird eine PI-Grenze überschritten, verlangt die GEMA vom Betreiber, die "vorstehenden Vergütungsbeträge" je ein weiteres Mal in "voller Höhe zu bezahlen".

Errechnet man den Quotienten aus dem Jahresbeitrag pro Werk (unter fünf Minuten) und der maximal gestatteten PI-Zahl mit Musiknutzung, ergibt sich folgendes Diagramm:


Den höchsten Preis zahlt hier folglich der gewerbliche Nutzer. Erstaunlich ist, dass nicht-gewerbliche Institutionen noch weniger als Privatpersonen zahlen müssen und bei steigenden Zugriffszahlen deutlich unter den Preisen für gewerbliche und private Websites liegen. Für die Nutzung eines Werks zur Präsentation bei 30.000 PIs im Monat ergeben sich somit folgende Gebühren:

 

 
Präsentation aus dem Eigenrepertoire

 

Auch Künstler, die sich durch die GEMA vertreten lassen und auf Ihrer Webseite Stücke aus dem Eigenrepertoire, das heißt ihre eigenen Kompositionen, benutzen möchten, müssen dies der GEMA melden und Gebühren abführen. Die Preise hierfür liegen deutlich unter den bisher vorgestellten Tarifen für Präsentationszwecke.

So zahlen Komponisten und Texter eine jährliche Vergütung von EUR 25,- für 10 Werke oder Werkteile. Musikverlagen ist es gestattet, 30 Werke bzw. 60 Werktitel gegen eine jährliche Vergütung von EUR 200,- ins Netz zu stellen. In beiden Fällen dürfen jährlich 50 Prozent der Titel ausgetauscht werden. Die Tarife verstehen sich bis zu einer Obergrenze von 50.000 PIs.

Die Tatsache, dass die GEMA von Komponisten, Textern und Verlagen für die Präsentationen aus dem Eigenrepertoire Gebühren verlangt, ist nicht unstrittig. Sicher lässt sich dies mit dem Verwaltungsaufwand begründen, wird aber dennoch auf das Unverständnis der zur Kasse Gebetenen oder zum Verzicht auf die Nutzung eigener Musiken führen. Die minimale Höhe dieser Tarife legt zwar nahe, dass es sich hier einzig um eine Aufwandsentschädigung für die Abwicklung der Zahlung und Überwachung der Einhaltung dieser Tarife handelt. Würde man diesen Tarif abschaffen, fielen dementsprechend der GEMA diese Verwaltungsunkosten jedoch nicht zu Last.

Es bietet sich an, diese Tarife bis zu einer gewissen Nutzungsgrenze kostenlos zu gestalten, da gut gestaltete Webseiten von Komponisten, Textern und Musikverlagen als eine verkaufsfördernde Maßnahme anzusehen sind. Nach dem Verkauf von Nutzungslizenzen sind sowohl GEMA als auch Komponist/Texter/Verlag durch die Einnahme von GEMA-Gebühren auf der "Gewinnerseite".

 
 
Klingeltöne

 

Nahezu alle Handys führender Hersteller (z.B. Nokia, Siemens, Sony) bieten die Möglichkeit, per Internet oder Telefon neue Klingeltöne zu bestellen und per SMS zu empfangen. Besonders Jugendliche, bei denen die Handynutzung in den letzten Jahren sprunghaft angestiegen ist , greifen gern auf Klingeltöne aktueller Pop-Charts zurück. So finden sich bei gängigen Klingeltonanbietern wie zum Beispiel Jamba Klingelton-Kategorien mit den aktuellen Charts der media control.

Die hier von der GEMA verlangten Gebühren erscheinen auf den ersten Blick erstaunlich hoch: pro Download eines Klingeltons auf ein Handy werden zwischen EUR 0,125 und EUR 0,1875 verlangt. Betrachtet man die Preisstrukturen der Klingeltonanbieter jedoch etwas genauer ist offensichtlich, dass sich diese Gebühren rechnerisch mit dem von den Anbietern verlangten Preis pro Klingelton vereinbaren lassen. Möchte man sich beispielsweise beim Anbieter Jamba die Melodie des Titels "Do You" der RTL2-Progruppe "Bro'Sis" auf das Handy schicken lassen, entsprechen die Gesamtkosten "insgesamt ca.1,69 EUR pro Klingelton" .

Hier ist es der GEMA durchaus gelungen, die Rechte der vor ihr vertretenen Komponisten, Texter und Verlage wahrzunehmen und Firmen, die mit Musiken aus den GEMA-Repertoire Umsätze generieren, mit angemessen Preisen zur Kasse zu bitten.

Nach Angaben von Heise Online hat der Musikverlag EMI bereits damit begonnen, "das wild wuchernde Angebot seiner urheberrechtlich geschützten Musikstücke als nicht lizenziertes Handy-Gedudel zu unterbinden" und den Betreibern von Klingenton-Seiten Abmahnungen zukommen zu lassen. Laut Angaben von EMI behauptet ein Teil der Abgemahnten gar fälschlich, "Lizenzgebühren an die GEMA abzuführen und sich in Bezug auf die Verfremdung des Werkes für den mobilen Lautsprecher mit den Verlagen geeinigt zu haben". Dieser Vorstoß von EMI wird sicher auch bei anderen Labels Schule machen und somit massiv die Einhaltung der Zahlung von GEMA-Gebühren unterstützen.

Hier zeigt sich eine Bestätigung des weiter oben zitierten Erweiterung zur wirtschaftlichen Auswertung eines Werkes. Wer hätte es vor zehn Jahren für möglich gehalten, dass mit musikalisch qualitativ äußerst schlechten Synthesizer-artigen Klingeltönen wahrhaftig Einnahmen für die GEMA produzieren lassen? Songs, die heute in die Topten-Listen kommen, sind auch sofort als Klingelton verfügbar auf deutschen Schulhöfen zu hören. Man kann dies als eine neue Art von Fanartikel betrachten - wer Bro'Sis liebt, hat Bro'Sis auf dem Handy und liegt damit bei Klassenkameraden im Trend.

Angemerkt sei hier nur ein Hinweis auf die Problematik des Jugend- und Verbraucherschutzes bei derart leicht produzierbaren und gerade für Jugendliche schlecht überschaubaren Kosten. Die Klingeltonanbieter haben ihre Zielgruppe genau erkannt und berieseln sie massiv mit Werbung: Wer sich heute zum Beispiel das Jugend-Musikmagazin "Bravo" kauft, wird seitenlange Anzeigen für Handyklingeltöne finden, die sich preislich alle auf dem Niveau von Jamba bewegen.

 

 
Internetradio

 

Durch die konsequente Steigerung der Bandbreiten auch für private Anwender eröffnete sich in den letzten Jahren die Möglichkeit der Radio-Übertragung per Internet. Die hierbei genutzten Soundqualitäten können von der einfach Mono-Übertragung in Telefonqualität bis zur CD-nahen Übertragung in Stereo reichen. Inzwischen gibt es unzählige Anbieter die sich mit Special Interest Angeboten für nahezu jeden Musikgeschmack ins Netz drängen. Durch Software wie das Shoutcast-Plugin für den mp3-Player Winamp ist es außerdem Privatpersonen ohne große technische Vorkenntnisse möglich, einen eigenen "Radiosender" ins Netz zu stellen. Für den Empfang benötigt man mittlerweile nicht mehr zwangsläufig einen PC. Philips stellte auf der International Consumer Electronics Show (CES) 2001 eine HiFi-Anlage vor, die auf gängige Online-Radiosender zugreifen kann.

Für diese Art der Online-Nutzung von Werken hat die GEMA eine eigene Preisstruktur für die Betreiber von Internetradio-Sendern eingeführt. Die monatliche Mindestvergütung richtet sich hier "nach der gleichzeitigen technischen Empfangsmöglichkeit im Internet" . Hiermit ist folglich nicht die absolute Anzahl realer Zugriffe, sondern die Anzahl der möglichen Zugriffe auf das Radioangebot gemeint.

Im Gegensatz zu den bisher vorgestellten Tarifen ist beim Internetradio von der GEMA ein Rabattsystem vorgesehen. Die höchste Mindestvergütung beträgt bei bis zu 100 möglichen Empfängern EUR 1,- pro Empfänger je Monat. Bei steigender gleichzeitiger Empfängerzahl lässt sich der Preis pro gleichzeitigem Empfänger auf deutlich unter EUR 0,10 senken (siehe Diagramm). Dies wird durch die Obergrenze der Mindestvergütung bei über 10.000 möglichen gleichzeitigen Empfängern von EUR 3.000 erreicht. Des weiteren lassen sich nicht-Sendezeiten im Verhältnis 1:1 und nicht-musikalische Anteil gestaffelt von der Mindestvergütung abziehen.


Die hier vorgestellten Vergütungen versetzen den Betreiber eines Internet-Radios in die Lage, im Vorfeld eine exakte Kalkulation der GEMA-Gebühren vorzunehmen, berücksichtigen aber nicht die reale Nutzung der Angebote. Das Internet bietet im Gegensatz zu TV und Radio die Chance, genau festzustellen, wie lange auf einen Sender zugegriffen wurde. Somit erscheint eine Abrechung, die sich an den realen Zugriffen auf das Radio und nicht an dessen technischen Ausbau orientiert fair für beide Seiten. Der Betreiber eines Online-Radios sollte natürlich nur für Musiken zur Kasse gebeten werden, die er auch wirklich versendet hat.

Sicher ist dies ein Versuch, die Einteilung Deutschlands in Rundfunkgebiete mit unterschiedlichen Reichweiten auf das Internet zu übertragen. Das funktioniert im globalen Internet so nicht und wird in Zukunft sicher auf den berechtigten Protest der Betreiber von Online-Radios stoßen.

Die hier vorgestellten Vergütungen für Internetradio sind nur die Mindestvergütungen. Für Webseiten, die mit ihren Internetradios erhöhte Einnahmen generieren, hat die GEMA eine Regelvergütung festgelegt, die sich prozentual am Umsatz orientiert.

 

 
Electronic Commerce

 

Eine eigene Kategorie wurde für Websites mit Electronic Commerce, das heißt "das Angebot von Waren oder Dienstleistungen jeglicher Art über eine Website, die Werke aus dem GEMA-Repertoire enthält", eingerichtet. Die GEMA unterscheidet hier zwischen "Electronic-Commerce mit Musikwerken" und sonstigen Electronic-Commerce Angeboten .

Electronic Commerce mit Musikwerken

Recht großzügig wurde die Tarifierung für Webseiten mit dem Ziel "der Verbreitung von Musikwerken, beispielsweise in Form von Tonträgern, Bildtonträgern oder durch die Übermittlung im Internet oder ähnlichen Diensten" gestaltet. Die Vergütungen beziehen sich hier auf das sogenannte "Prelistening", das heißt das Reinhören in Musiktitel, das die Dauer von 45 Sekunden je Werk nicht überschreiten darf.

Die Mindestvergütung beträgt hier jährlich EUR 150,- bei der Nutzung von bis zu 20 Werken und nicht mehr als 500.000 Page Impressions pro Monat. Die PI-Obergrenze liegt in diesem Fall deutlich höher als bei allen anderen Tarifarten. Die Gebühr pro Prelistening beträgt bei einer optimalen Ausnutzung des Tarifs EUR 0,0003 pro Abruf. Die GEMA legt ganz offensichtlich Wert auf die preisgünstige Werbung für urheberrechtliche geschützte Werke.

Eingesetzt wird dieses Prelistening bereits von Online-Shops wie amazon.de, bol.de oder dem Musik-Spezialisten jpc.de. Hier hat man sich, möglicherweise aus Rücksichtnahme auf internationale Gegebenheiten, auf eine Prelistening-Dauer von 30 Sekunden beschränkt. Überschlägt man die Mindest-Kosten die für den Online-Versand Amazon.de, der nach eigenen Angaben über "mehr als 1,2 Millionen Hörproben" verfügt, sollte sich dies monatlich auf EUR 10.000,- belaufen.

Sonstiger Electronic Commerce

Websites, deren "Geschäftsgegenstand das Angebot von Waren und Dienstleistungen aller Art ist", zahlen eine Vergütung von EUR 50,- je Werk unter fünf Minuten bei monatlich maximal 10.000 PIs. Dieser Tarif entspricht exakt dem Doppelten der Anfangs vorgestellten Vergütungssätze für die gewerbliche Präsentationen.

 

 
Problematisierung Seitenzugriffe PIs

 

Die GEMA versucht die urheberrechtlich geschützten Werke der von ihr vertretenen Komponisten, Textdichter und Musikverleger auch im Internet durch transparente Tarifstrukturen verwertbar zu machen. Das dies notwendig ist, um die Nutzung urheberrechtlich geschützter Musiken angemessen vergüten zu können, sei außer Frage gestellt. Es bedarf jedoch einer genaueren Betrachtung, wie gelungen der erste Vorstoß der GEMA in den Bereich des Internets ist.

Grundsätzlich stellt sich die Frage, in wie weit die sogenannten "Page Impression" ein geeignetes Mittel darstellen, um den Zugriff auf Musiken zu zählen. Bisher gibt es kein gesetzlich gültiges Verfahren zur Messung von Seitenzugriffen. Es hat sich nur aus einer Notwendigkeit eines Zahlsystems heraus ein quasi-Standard entwickelt: Die Methode der auch aus dem Printbereich bekannten "Informationsgemeinschaft zur Verbreitung von Werbeträgern e.V." (IVW). Die IVW versucht sich als neutraler Statistiker zwischen Website-Betreibern und Werbekunden. Die von der IVW erstellten Statistiken haben insofern einen besonderen Status, als sie, im Gegensatz zu eigenen Statistiken, von einem neutralen Dritten im laufenden Betrieb ermittelt werden.

Nun gibt es keine Verpflichtung, sich von der (kostenpflichtigen) IVW "zählen" zu lassen und somit auch keine Verpflichtung, vertrauenswürdige Statistiken anzufertigen. Für den Betreiber einer Webseite ist es technisch sehr einfach möglich, eigene Statistiken zu fälschen und die PI-Zahlen zur Kosteneinsparung zu drücken. Sicher kann man potentielle Kunden nicht präventiv kriminalisieren, ein System, auf das sich beide Seiten verlassen können, schafft aber von vornherein klare Fronten.

 

 
Digitaler Fair Use

 

Das Internet bietet die Möglichkeit, genau zu erfassen, welche Musiktitel wie oft gehört wurden. Dies könnte das Ende der Pauschalvergütungen für Künstler und Verleger bedeuten. Ist erst einmal ein technisch ausgereiftes Zählsystem entwickelt worden, könnte die GEMA sekundengenaue Vergütungen verlangen und entsprechend weiterleiten.

Im Internet kann die GEMA sich allein durch die Nutzung digitaler Statistiken vom Vorwurf der "Subventionsgier" befreien und ein für Kunden und Anbieter faires Verwertungssystem aufbauen. Die derzeitige Tarifierung bedarf sicher noch einiger Überarbeitungen, um an die Anforderungen und Möglichkeiten virtueller Märkte angepasst zu werden.

Es gilt, sich im Internet von alten Strukturen wie Radioreichweiten zu befreien, Rabatte für die Vielnutzung von Musiken anzubieten und durch anonyme Statistiken exakte Abrechnungen zu ermöglichen. Künstler, Texter und Verlage werden es danken und Surfern kann das Gefühl vermittelt werden, dass ihr Geld denen zukommt, die es mit ihrer Musik auch verdient haben.

Die in dieser Arbeit untersuchten GEMA-Tarife sind bis Ende des Jahres 2002 gültig. Spätestens dann wird sich zeigen, ob die hier vorgeschlagenen Anpassungen der Tarife wirklich nötig sind oder sich mit dem derzeitigen Modell seitens der Kunden und Anbieter leben lässt.